Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Travel,  MOMENTE

Auf den Monte Baldo im Herbst mit dem Rennrad

Herbstferien. Raus aus dem Alltag, hinein in den Entspannungsmodus. Doch bis die Entspannung kommt, nehmen viele Menschen noch eine stressige Anreise in Kauf, um zum gewünschten Ziel zu gelangen. So auch ich. Denn der Gardasee ist nicht gerade ein unbekannter Urlaubsspot. Ganz im Gegenteil. Das milde Klima zieht die Massen an, in den Ortschaften ringsum den wunderbaren See drängeln sich auch um diese Jahreszeit die Leute mit den Autos durch die Straßen oder zu Fuß durch die doch sehenswerten Städtchen mit teils alten Burgen, Schlössern oder sonstigen historischen Bauten.

Doch ich wollte auf einer der letzten Rennradtouren dieses Jahres dem Massentourismus entfliehen und drängelte mich von Peschiera del Garda zunächst über die Hauptstraße in Richtung Monte Baldo! Dort oben, auf etwas über 1650 Metern, sollte mein Ziel sein.

Die Tage zuvor waren sonnig und mild. An diesem Tag jedoch waren graue Wolken aufgezogen, die mich überlegen ließen, diese Tour nochmal zu verschieben. Doch da es nicht regnen sollte, fuhr ich einfach mit dem Rennrad los. In der Hoffnung, die Wettervorhersage würde auch stimmen.

Diesiges Wetter zum Start

Im südöstlichen Gebiet des Gardasees war es leicht hügelig. Nichts Kräftezehrendes, ein leichtes und sanftes Auf und Ab. Schön zu fahren. Zumindest, nachdem ich die verkehrsreichen Straßen hinter mir gelassen hatte.

Unübersehbar ist der Weinanbau in der Region. Die Weinreben sahen jedoch manchmal etwas vertrocknet aus. Kein Wunder, denn selbst der Gardasee hat deutlich unter der Hitze des Sommers gelitten und hat nun wesentlich weniger Wasser als sonst üblich.

Der bekannte Vergnügungspark Gardaland, in dem sich sonst die Menschenmassen dicht an dicht drängeln, hat um diese Jahreszeit nur noch am Wochenende auf. Wie in vielen anderen Freizeitparks wird dann rund um Halloween dort zum Abschluss der Saison nochmals kräftig gespukt. 

Das Rad lief flüssig über den Asphalt, meine Beine fühlten sich jedoch plötzlich überhaupt nicht mehr gut an. Kein gutes Omen. Es lief sehr zäh, kleine Hügel taten schon weh. Mir kam sogar der Gedanke, umzukehren. Doch wollte ich das wirklich?

Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Kirche Santa Maria Maggiore in Caprino Veronese

Manchmal muss man sich in solche Geschichten rein kämpfen. Der Schweinehund lungert ständig um einen herum, jederzeit bereit zuzubeißen. Wenn man an diesem Punkt mental schwach wird, tut der Biss dann erst recht weh. So oder so. Wer es aber schafft, immer noch eine Kurbelumdrehung mehr zutreten, der wird diesen Drecksköter immer weiter hinter sich lassen. Bis er jaulend in seiner dunklen Ecke verschwindet und sich nicht traut, noch einmal aufzutauchen.

Bei Costermano sul Garda hatte ich dann so weit getreten, dass er endgültig verschwunden war. Dort bog ich ab in Richtung Pesina. An der dortigen Kirche stoppte ich kurz und verschlang die Banane aus der Trikottasche. Es war nicht mehr weit bis Caprino Veronese und dem Beginn der klassischen Südauffahrt hinauf auf den Monte Baldo.

Knackig ging es dort auch direkt los. Eh ich mich versah, zeigte der Radcomputer auch schon zweistellige Prozentgrade an. Und der Spaß hatte eben erst begonnen. Nebel und Wolken waberten in den Hügeln über mir. Die Sicht nach oben war mir verwehrt.

Einsam hinauf zum Monte Baldo

Zumindest ging es abseits der Hauptstraße in die Höhe, nur bei Vilmezzano musste ich sie noch einmal für ein kurzes Stück entlangfahren. Ein paar Serpentinen und ich war wieder völlig einsam unterwegs. Keine Radfahrer weit und breit. Ich hätte zumindest mit ein paar wenigen Radlern gerechnet. Aber Fehlanzeige. 

Je höher ich kam, desto herbstlicher wurde es. Die Blätter der Bäume hatten eine wunderbare rostbraun gelbliche Farbe angenommen, aus einigen verstreuten Hütten in den Bergen drang der Duft von verbrannten Kaminholz in meine Nase. 

Die Bäume fingen sich an, langsam zu lichten, als ich am Refugio Novezzina ankam. Bisher war ich nur von einer Handvoll Autos überholt worden. Doch an diesem Punkt standen plötzlich etliche Autos auf dem Parkplatz, E-Bike-Fahrer und Wanderer saßen vor der Hütte. Ein starkes Kontrastprogramm in dem Moment. Die Nase rümpfend stampfte ich weiter in die Höhe.

Doch die Steigung war nicht ohne und kostete mich viel Energie. Auf einem kurzen geraden Stück der Straße blieb ich schnaufend stehen. Erstens war die Aussicht schön, zweitens schreckte mich die sich in dem Moment gefühlt grotesk hinauf windende Straße vor mir ab. 

Außerdem bekam ich plötzlich ein leichtes Hungergefühl. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, hatte ich einfach zu wenig zwischendurch gegessen. So schob ich mir den trockenen Riegel  in die Backen in der Hoffnung, der Turbomodus würde dadurch gezündet.

Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Ich sehe rot!

Natürlich war da so zügig nichts zu machen. Daher musste ich auf die Zähne beißen. Das war hart. Sehr hart. Dieses „Mittelstück“ des Anstiegs war weit im roten Bereich. Sowohl von den Prozenten her, als auch für die körperliche Ertüchtigung.

Doch nach diesem Teil der Strecke, das wusste ich, würde ich etwas regenerieren können. Über ein paar Kilometer konnte ich die Füße hochnehmen und einfach das Rennrad rollen lassen. Ich würde zwar rund zweihundert Höhenmeter wieder verlieren, aber dafür neue Kraft tanken können. 

Herbstfarben

Dieses Stück zu fahren, war wunderschön. Die Ausblicke weit in die Ferne auf die hohen Berge der südlichen Dolomiten war großartig. Unterhalb von mir lagen bewaldeten Bergkuppen, über mir inszenierten die grauweißen Wolken eine mystische Stimmung in die Landschaft. Die Plackerei? Vergessen! Das leicht abfallende Dahinrollen war ein Genuss!

Das grüne Blätterdach des Sommers verfärbte sich mit seinen immer wieder zwischendurch auftauchenden Rottupfern in ein herrlich beruhigendes Farbenmeer. Ein Erlebnis fürs Auge.

Am Ende der sanften Abfahrt lag das bereits um diese Jahreszeit geschlossene Refugio Bocca di Navene. Von hier kann man einen Blick auf den weit unten liegenden Gardasee erhaschen. Wenn denn das Wetter mitspielt und kein Nebel oder Wolken über der Szenerie liegen. 

Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Nebelige Aussicht auf dem Gardasee am Refugio Bocca di Navene

Jetzt wurde es noch einmal fies. Der Asphalt am Anstieg war ein gutes Stück frisch asphaltiert, dafür aber ziemlich knackig. Jetzt kamen mir plötzlich einige Rennradfahrer mit Schwung entgegengeschossen. Ein bisschen neidisch wurde ich da schon.

Oben angekommen

Kurz darauf konnte ich aber endlich mein Ziel erblicken. Noch weit in der Ferne und einige Kurven voraus lag der höchstmögliche Punkt, den man zumindest mit dem Rennrad auf dem Monte Baldo erreichen kann. Das Refugio Graziani lag scheinbar verlassen vor mir, als ich es endlich voller Glückseligkeit erreichte. 

Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Oben angekommen. Der Blick geht rechts zurück. Die Abfahrt beginnt links.

Nur ein offener Sonnenschirm auf der Terrasse ließ mich misstrauisch werden. Ein paar Meter über Schotter bis zur besagter Terrasse hinauf gelaufen, ließ mich erkennen, dass offenbar eben nicht geschlossen war! Herrlich!

Ein großes Kaltgetränk und eine herzhafte Wurst- und Käseplatte waren meine Belohnung. Und die genoss ich in wärmenden Sonnenstrahlen mit wunderbarem Blick in die abfallende, herbstliche Landschaft des Monte Baldo.

Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Am Refugio Graziani.
Monte Baldo,Rennrad,Italien,Gardasee,bikingtom,Radsport
Pause mit Ausblick.

Gestärkt, mit Grinsen im Gesicht, begab ich mich nun an die Abfahrt. Spektakulär, anders kann ich es nicht beschreiben, ging es in hohem Tempo hinab. Traumhafte Serpentinen, die scheinbar einfach über Bergwiesen gelegt worden sind, imposante Felsformationen links und rechts, als der Einschnitt am Berg immer schmaler wurde. Es war grandios. 

Die Bremsen am Rennrad mussten in den manchmal engen Kurven gut arbeiten, doch die wenigen Autofahrer ließen mich winkend vorbeizischen. Sie konnten gerade in den Kurven nicht mithalten. Ein einziger Rausch war diese Abfahrt über San Valentino hinunter bis nach Avio ins Etschtal. Die Etsch heißt hier in Italien übrigens Adige.

Traumhafte Abfahrt

Am Fuße des Berges angekommen, musste ich erstmal meine verkrampften Hände vom Lenker lösen und die Tränen von der Geschwindigkeit aus dem Gesicht wischen. Wow! War das geil gewesen! Die ganze Mühe des Bergauf Fahren hatte sich definitiv gelohnt. Für jeden Rennradfahrer ein Traum.

Das Wetter war ebenfalls besser als gedacht gewesen. Zunächste nebelig und trüb, schien jetzt die Sonne noch ins Tal hinein. Der weitere Weg war ziemlich einfach. Entlang des Canale Biffis konnte ich ganz entspannt auf dem gut ausgebauten Radweg rollen. Meine Blicke wanderten erheiternd nach links und rechts die Bergflanken hinauf, während meine Gedanken über das Erlebte abschweiften. 

Der Weg führte mich gut rollend durch zahlreiche Felder von Weinreben über Rivoli Veronese, Pastrengo und Cavalcaselle zurück nach Peschiera. Ein teilweise sehr anstrengender, aber schöner Tag lag hinter mir. Über 130 Kilometer und knackige, fast 2300 Höhenmeter waren meine Ausbeute. Das Feierabend-Bierchen? Schmeckte an diesem Tag besonders gut.


Strecke
Unten findet ihr den reinen Streckenverlauf rund um und auf dem Monte Baldo. Der Startpunkt ist dort in Avio gelegen. Von da könnt ihr euch wunderbar einfahren entlang der Etsch, bevor es von Süden her endlich aufwärts geht.
Einsteigen in den Track kann man auch problemlos an einigen Punkten im südlichen Bereich, wie zum Beispiel von Pesina oder Caprino Veronese.

Weitere Links zum Rennradfahren am südlichen Gardasee:
- Auf dem Blog von bike-components gibt es einen netten Eintrag. 
- Auch auf dieser Tourismus-Seite bekommt man ein wenig Inspiration.

Wer auf den Geschmack gekommen ist und vielleicht noch weitere Berge, wie den nicht weit entfernten Monte Grappa erklimmen möchte, der kann sich in einem weiteren Artikel von mir dafür einlesen 😉

Diesen Artikel weiterempfehlen

5 Comments

Gerne Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.