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BBB – Bahntrassen, Belgien,Bääm!

Teil 2: Im Hohen Venn

Den ersten Teil gibt es hier zu lesen!

Der nächste Tag im schönen Hohen Venn brach an. Der Schlaf hatte richtig gut getan. Meine Sachen hatte ich schnell gepackt. Der Vorteil, wenn man nur mit wenig Zeugs fährt. Da das Hotel ein ausgezeichnetes Bett+Bike Hotel war, gab es auch eine sehr gute Unterstellmöglichkeit für mein Fahrrad. Eine neue, helle und riesengroße Garage war eigens für Radreisende mit perfekten Radständern ausgestattet worden. Nicht mit den üblen Felgen- und Scheibenbremsen-Killern, sondern mit Abstellbügeln auf dem neusten Stand der Technik. Zugang hatten nur Gäste, die auch mit dem Fahrrad angereist waren. In dieser Jahreszeit war ich momentan der einzige! 

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Prima Radständen im Bett+Bike-Hotel in St. Vith.

Frühstück besorgte ich mir an einer schönen Bäckerei direkt um die Ecke. Die Auslage war voller Köstlichkeiten und ich brauchte einen Augenblick, um eine Auswahl zu treffen. Das war gar nicht so einfach. Zwei gut belegte Brötchen samt Joghurt-Drink packte ich ein und fuhr los. Wenige Meter später saß ich auf einer Bank am Vennbahn-Radweg, mit herrlichem Blick in die hügelige Landschaft ringsum. Die Sonne versuchte durch die diesige Wolkendecke zu kommen. Alles war wettertechnisch besser als am Tag zuvor.

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Beim Bäcker um der Ecke gab es alles, was das Herz (und der Magen) begehrt.

Ich genoss die frische Luft, während ich an meinem Brötchen mümmelte. Der Tag versprach wesentlich freundlicher zu werden. Die Regenklamotten konnte ich getrost eingepackt lassen. Es war zwar noch etwas kühl, als ich losfuhr, aber das gab sich schon bald.

Unterwegs auf dem Vennbahn-Radweg

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Frühstückszeit

So ein Bahntrassen-Radweg, der ja auch mal langweilig werden kann, besitzt durchaus Vorteile. Ist er, wie hier, in einem sehr guten Zustand, muss man sich weniger auf den Untergrund konzentrieren und die Blicke können länger in die Landschaft ringsherum schweifen. Es wäre aber auch zu schade, wenn man das in dieser Region nicht machen würde. Man würde einiges verpassen.

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Ein paar Bauern waren schon fleißig auf den Feldern und Weiden mit ihren großen Traktoren und den riesigen Güllewagen unterwegs. Der Dünger wurde großzügig verteilt, der Wind wehte mir den Geruch der Gülle stellenweise um die Nase. Nicht penetrant, nur immer gerade soviel, dass ich das fast nur unterschwellig wahrnahm. Doch irgendwie verfolgte mich diese leichte tierische Duftnote sanft den ganzen Tag.

Nicht nur Felder und Weiden verteilten sich an den Hügeln, auch Fichtenwälder gab es reichlich. Die Holzwirtschaft ist ein wichtiger Ankerpunkt in der Geschichte der Region. In Ostbelgien steigt die Anzahl holzverarbeitender Betriebe seit Jahren. Der Bedarf nach Holz von Fichte, Buche und Eiche steigt ebenfalls weltweit. Daraus ergeben sich viele Probleme. So geraten bei öffentlichen Holzverkäufen in der Wallonie immer öfters einheimische Holzverarbeiter unter Druck. 

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Weiden und Felder

Denn gerade die Chinesen kaufen im großen Stil Holz in Ostbelgien ein. Zu Preisen, bei denen kein Betrieb aus der Region mithalten kann. Der Grund, warum die Chinesen so scharf auf europäisches Holz sind: in China ist ein Gesetz erlassen worden, dass quasi kein chinesischer Baum mehr gefällt werden darf. Daher wird versucht, durch großflächigen Aufkauf von Holz unter anderem in Europa den einheimischen Bedarf zu decken. Gut für die Verkäufer, schlecht für die holzverarbeitende Industrie in Ostbelgien (und anderswo).

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Die „Freiherr von Korff“-Brücke, im Hintergrund das Dorf Born

Bei Born fällt einem unweigerlich das imposante Viadukt der stillgelegten Bahntrasse von St. Vith nach Vielsalm ins Auge. Der Vennbahn-Radweg führt direkt unterhalb hindurch. Die „Freiherr von Korff“-Brücke – benannt nach dem damaligen letzten Landrat des preußischen Landkreises in Malmedy, wurde mitten im Ersten Weltkrieg erbaut, um wichtige Güter in die weiteren Teile des Landes zu bringen. Sie hatte somit auch hohe militärisch-strategische Bedeutung.

Bei einer Länge von rund 285 Metern zuckelten die Züge in gut 18 Metern Höhe über die Landschaft. Die Strecke verlor an Bedeutung, wurde bereits von den Belgiern vor den vorrückenden deutschen Truppen 1940 teilweise gesprengt und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg dann ganz stillgelegt. Von einem Aussichtspunkt oben auf der Brücke hat man heute einen tollen Ausblick in die Landschaft.

Entdeckungen mit dem Rad

An einer Raststation kurz nach Montenau gab es eine Art großen Holzrahmen zu bestaunen. Wie durch ein Fenster guckte ich von hier aus in die weitläufige Landschaft. Auf Knopfdruck konnte man sich einen Ausschnitt aus der Geschichte der Region in Französisch, Niederländisch und Deutsch durch eine Art Hörspiel erzählen lassen. Das war sehr nett gemacht. Liegestühle luden zum Verweilen ein, auch Tische und Bänke waren vorhanden. Ein nettes Plätzchen war das.

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Doch ich kurbelte nach dem Zuhören weiter. Die Beine waren gut drauf und ich rollte durch die abwechslungsreiche Szenerie. Ich war direkt wieder im Entspannungs-Modus. Genauso, wie ich es mir auf meinen Radtouren durch Deutschland vorgestellt hatte. Dass es tatsächlich direkt auf Anhieb so gut funktionierte, freute mich sehr.

In Steinbach gab es interessante Info-Tafeln mit Fotos aus längst vergangenen Zeiten. Ein Stück weiter in Faymonville konnte man das alte urige Vennbahn-Haltestellenhäuschen bestaunen. Ganz in der Nähe von Robertville, wo ich letztes Jahr beim DIRTY BOAR noch übernachtet hatte, verließ ich den Vennbahn-Radweg. Ich sollte später wieder auf die Trasse treffen. Doch jetzt wollte ich richtig ins Hohe Venn eintauchen.

Durch meine Teilnahmen beim „Dirty Boar“-Gravelride in den vergangenen Jahren hatte ich die Region kennen und schätzen gelernt. Allerdings bin ich da immer mit Vollgas hindurch gebrettert. Nun wollte ich die Chance nutzen und es etwas entspannter angehen lassen. Das Hochmoor und seine Landschaft mit allen Sinnen auskosten. 

Im Hohen Venn

Durch kleine Dörfer wand ich mich in Richtung Signal de Botrange, gleichzeitig der Ort mit dem höchsten Punkt Belgiens mit sagenhaften 694,24 Metern! Doch die Belgier waren dereinst schlau gewesen und schütteten dort einen kleinen Steinhügel auf: den Baltia-Hügel! Somit wurde der höchste Punkt Belgiens auf genau 700 Metern gehoben. Zumindest in Belgien ab da das Maß aller Dinge.

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Was für eine Aussicht ins Hohe Venn, in der Nähe des Signal de Botrange

Jedenfalls gibt es dort  auf der anderen Straßenseite einen atemberaubenden Aussichtspunkt mit Blick tief hinein ins Hohe Venn! Was für eine Weite, was für eine Landschaft, was für eine Geschichte. Da war ich jetzt, an einem besonderen Highlight meiner Tour. Nicht, dass ich mich nicht auch über alles andere am Wegesrand freute, ganz im Gegenteil. Doch ich habe das Hohe Venn zu schätzen gelernt und bin sehr gerne dort.

Jetzt wollte ich jeden Kieselstein unter meinen Reifen genießen. Kein darüber hinweg schießen mit dem Gravelbike, kein Ballern bis zum Anschlag, keine Watt-Werte jenseits von Gut und Böse! G-E-N-I-E-S-S-E-N lautete diesmal die Devise. Und der Plan ging auf.

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Das Hohe Venn, im französischen Hautes Fagnes, genannt, ist ein Naturpark und erstreckt sich auf einer Art Hochebene, die leicht gewölbt ist. Rund 600 Quadratkilometer ist das Gebiet groß. Der Schiefergebirgskamm erstreckt sich zwischen Deutschland und Belgien, geologisch genauer gesagt durch die Ardennen, die Eifel bis hinunter in den Hunsrück. 

Die klimatischen Bedingungen sind hier etwas spezieller, denn dieses Mittelgebirge steht der von Westen kommenden atlantischen Luft, die oftmals feucht ist, als Erstes im Weg. Daher ist es im Hohen Venn oftmals nasser, als anderswo ringsherum. Sogar Schnee gibt es öfters. Und wo es Schnee gibt, gibt es sogar auch eine Skipiste! Nicht weit entfernt, ist dort nämlich auch der Startpunkt des Dirty Boar Gravelrides!

An vielen Stellen gluckern kleine Rinnsale im Hohen Venn vor sich hin

Das Hochmoor mit den zahlreichen Moortümpeln und Biotopen und mit seiner zum Teil noch urzeitlichen Wildnis ist ein riesiges Refugium für allerlei Pflanzen und Tiere. Typische Heidepflanzen sind ebenso vertreten, wie das schnell wachsende Pfeifengras. Da in den letzten Jahrzehnten keine Beweidung stattfand, konnte sich das Gras fast ungebremst ausbreiten und fing an andere Arten zu verdrängen. Doch mittlerweile wird das Gras an manchen Stellen abgetragen, sorgfältig an ausgewählten Stellen in Schichten aufgestapelt und dezent in die Landschaft integriert. Dadurch entstehen wieder Flächen, auf denen sich der ursprüngliche Bewuchs ausbreiten kann.

Atemraubende Natur

Tiere finden ebenfalls optimale Bedingungen vor. Waldeidechse, Birkenhuhn, Kreuzotter, sowie Luchs und Biber haben hier ihr zu Hause gefunden. Mittlerweile haben sich sogar Wölfe wieder sesshaft gemacht. Gesehen habe ich jedoch keinen. Zu scheu sind die Tiere.

Ich konnte kaum meinen Blick von diesem Aussichtspunkt abwenden. Es war einfach zu schön. Langsam rollte ich wieder los. Grober, aber schöner Schotter war es, auf dem ich durch die Natur fuhr. Da es Mittag war, hielt ich an einer Info-Tafel an einem langen geraden Weg an. Dort lag ein Holzblock am Wegesrand, auf dem ich wunderbar sitzen konnte.

Es war ganz ruhig um mich herum. Keine Geräusche, die von Menschen gemacht wurden. Nur der leichte Wind war zu spüren. Ich biss in mein zweites Brötchen. Das Kauen in meinen Backen war das lauteste Geräusch in dem Augenblick. Ansonsten nichts. Ein perfekter Moment, um einmal innezuhalten. Den ganzen Lärm des momentanen apokalyptischen Weltgeschehens einfach mal ausblenden. Nur das Hier und Jetzt. Teil der Natur zu sein. Es war wunderbar.

Wenn man erst einmal in das Hohe Venn eingetaucht ist, bemerkt man schnell, wie groß dieser Landstrich ist. Mit dem Fahrrad ist das Gebiet sehr gut zu durchstreifen. An vielen Stellen gurgelt das Wasser im Moor, kleine Bächlein plätschern vor sich hin. Und immer wieder „Ah’s“ und „Oh’s“, die mir über die Lippen entfuhren. Diese unbändige Natur, diese raue urzeitliche Wildnis ließ mich völlig ausklinken aus dem Alltag. So schön war es dort. 

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Herrliche Abfahrten wechselten sich ab mit knackigen Anstiegen. Doch voller Euphorie, beseelt von freudig hüpfenden Glückshormonen, machte mir das nichts aus. Es dauerte ewig, bis ich wieder auf Zivilisation traf. In Roetgen hielt ich an der örtlichen Tankstelle, um mir eine Coke zu gönnen. Die Autos auf den Straßen und das Geplapper im Shop und all die anderen Geräusche ließen mich fast wie aus einer Trance wieder aufwachen. Es war etwas surreales in dem Moment.

Ich schlug noch einmal den Weg Richtung Wald am Vennbusch ein. Tollkühn, vor Freude jauchzend, raste ich den Waldweg hinab, der steil abfiel, bevor ich bei Raeren am alten Bahnhof wieder auf die Vennbahn-Trasse stieß. Das Hohe Venn lag jetzt hinter mir. Bis Aachen ging es fortan eigentlich nur noch leicht bergab. 

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Eine letzte Abfahrt bevor es wieder auf den Vennbahn-Radweg ging

Letzte Meter auf der Vennbahn

Links und rechts im immer noch leicht hügeligen Gelände waren jetzt wieder Bauernhöfe, Felder und Weiden, sowie kleinere Ortschaften zu erkennen. Und plötzlich waren auch vermehrt Radfahrer auf der Strecke unterwegs. Pendler, die aus Aachen kamen und nun auf dem Weg nach Hause in die Vororte waren. Ein paar ältere Herrschaften, die ein paar Kilometer mit ihren E-Bikes machten und sich die Zeit vertrieben. 

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Auf dem Viadukt des Vennbahn-Radwegs bei Kornelimünster

Es waren nur noch wenige Meter bis Aachen, meinem Ziel. Von dort aus sollte es mit der Bahn nach Hause gehen. Das waren zwei ganz tolle Tage auf dem Rad. Ganz viele Eindrücke konnte ich auf dieser Radtour sammeln. Trotzdem es am ersten Tag regnete, konnte mir das meine gute Laune nicht verderben. Die Einsamkeit auf der Strecke hätte ich in der Form nicht erwartet. Aber es tat tatsächlich mal gut. Ich war glücklich und zufrieden. Und genau mit diesem Gefühl in der Bahn sitzend wusste ich, dass ich alles richtig gemacht hatte.

Die Strecke des zweiten Teilsrund 99 km

Weiterführende Informationen

- Alle Infos zur Vennbahn mit zahlreichen Tipps zur perfekten Radreise
- Die Eifel ist grandios. Die Website bietet zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten

Während meiner Deutschland-Touren in diesem Jahr werde ich freundlicherweise unterstützt von

antidot.bikecare und helden.de

Dies könnte auch als Werbung verstanden werden und daher markiere dies dementsprechend mal hier. Ihr könnt damit umgehen 😉 WICHTIG: Meine Supporter haben keinerlei Einfluss auf die Gestaltung meiner Radtouren. Die sind ganz nach meinem persönlichen Geschmack von mir selber geplant. Nur das ihr das mal wisst.

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