
WetterauHochDrei im Bikepacking-Modus – Teil 2
Wer den ersten Teil der Wetterauhochdrei verpasst hat, findet ihn HIER!
Das sollte sich aber ändern. So easy es war, die ersten Meter über Echzell und Florstadt zu fahren, über den Wannkopp und Hohem Berg, so übel sollte es an diesem Tag auf dem Rest der Strecke werden. Landschaftlich war es ein Traum, ich war schwer beeindruckt. Doch die Pfade kosteten Kraft. Und dazu noch Nerven. Immer wenn wir dachten einen der buckeligen Abschnitte geschafft zu haben und dann mal ein paar Meter einfach rollen lasen zu können, täuschten wir uns gewaltig.

Es ging auf Wege, die den Namen nicht verdienen. Ich fahre unheimlich gerne Querfeldein auf irgendwelchen Gravelpfaden. Doch diese hier waren Monster! Körnerfressende, vergammelte, rampenverseuchte und nervende Pfade. Außer uns schien niemand mehr auf dem Track zu sein. Hätte ich niemanden verdenken können. Auf sandigen Abschnitten konnte ich sehen, dass tatsächlich doch bisher an diesem Tag vier Räder dort entlang gekommen sein mussten.
Die anderen müssten abgebrochen haben. „Kein Schwein fährt hier“, durchfuhr es mir im Kopf. „Nur wir Knallköpfe tun uns das an“ oder „In 24 Stunden das Ding zu fahren, ich lach mich tot“ waren die Gedankenfetzen, die mich durchfuhren. Timo erging es nicht besser. Wir kamen kaum voran, die Kilometer wurden gefühlt nicht weniger.

Ein Gravelride, der seinen Namen verdient
Ante hatte da eine echte Folterstrecke entworfen. Und wenn ein Berg schon Steinknarre heißt, dann sagt das wohl schon alles. Wege, die einst die Römer wahrscheinlich schon tunlichst vermieden, waren unser Track. Immerhin, die Aussichten an so mancher Stelle in die Landschaft hinein trösteten dann schon etwas über diesen Gewaltakt hinweg. Duftende Blumenwiesen, kühlende Wälder und leichter Sonnenschein waren gar nicht übel.

Übel war auch nicht unser Mittagsstopp in Ranstadt. Eine Bäckerei mit herrlichsten Kuchen, eine Tankstelle direkt gegenüber. Radler-Herz, was willst du mehr? Ein paar Meter gnädiger Asphalt, bevor wir unsere bereits jetzt verschwitzten und staubigen Leiber samt Rädern durch hüfthohes Gras und ekeligen dick-kieseligen Wegen wuchteten.

Zermürbend. So positiv ich immer an solche Geschichten gehe, manchmal knirsche auch ich mit den Zähnen. Trotz allem, ob fluchend oder leicht angesäuert, Timo und ich hatten dennoch Spaß auf diesem Gravelride. Wir quatschend allerhand Blödsinn und mussten oft lachen. Wir passierten Nidda und machten einen nördlichen Bogen, um dann in Richtung dritten Checkpoint zu kommen.

Nachdem wir zum x-ten Mal geflucht hatten wie die Rohrspatzen, wir wieder einen mannshohen Graswurzel-Weg durchpflügt hatten, gelangten wir zum sehenswerten ehemaligen Steinbruch Michelnau. An einem alten geschmiedeten Tor, das an einem schmalen Zugang zum eigentlichen Steinbruch uns den Zugang verwehrte, hing der begehrte dritte Stempel. Ein sattes KLACKS diesmal. Punkt. Mit Ausrufezeichen. Bäääm!!!


Den hatten wir uns verdient. Am Steinbruch gab es eine nette Schutzhütte und ein kleines geschlossenes Museum. Ein paar Meter oberhalb konnte man von einer Anhöhe von oben in den Steinbruch hineinschauen. Was muss das damals für eine schwere Arbeit gewesen sein? Wie schwer die Blöcke aus dem Fels geschnitten wurden, konnte man noch an den Felswänden erkennen.
Aber das war damals wohl nichts gegen diese Qualen bei der WetterauchHochDrei, die scheinheilig von schönster Landschaft übertüncht wurden. Allerdings nahmen die Wolken zu, Unwetter kündigten sich erneut in der Ferne an. Dunkle Wolken wechselten sich mit Sonnenschein ab. Dunkel wurde es ebenfalls, was meine Kraft betraf.
Undurchschaubares Wetter in der Wetterau
Als wir gegen Abend nach Stockheim kamen, wollten wir dort etwas Essen und Trinken. Es wurde Zeit, denn die Getränke gingen uns aus. Direkt am Bahnhof gab es einen Biergarten und eine indische Pizzeria. Ich war einfach platt. Ich merkte, dass es mir nicht wirklich gut ging und konnte das in dem Moment nicht richtig einordnen. Sogar an Abbruch hatte ich innerlich in dem Moment gedacht. Ich musste tief durchatmen.
Wir waren bisher nur zäh vorangekommen und wollten eigentlich noch an die dreißig Kilometer weiterfahren. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich das schaffen sollte. Dazu würden noch einige fiese Rampen kommen. Ich war fix und alle. Auf der Bank vor der Pizzeria knabberte ich an der fettigen, eher käsigen Salami-Pizza und kippte den Zucker der Cola in mich hinein. Irgendwoher brauchte ich frische Energie.

Der Ort schien ebenfalls merkwürdige Typen anzuziehen. Ein, sagen wir mal Flittchen, wie es im Buche steht, ließ sich per Anhalter vor unserer Nase mitnehmen, um kurz darauf zu Fuß wieder aufzutauchen. „Habt ihr noch ein Stück Pizza über?“, fragte sie leicht zugedröhnt. Da ich pappsatt war und ein gutes Herz habe, wollte ich ihr den letzten Rest geben, bevor ich das wegschmeißen würde.
„Was ist denn da drauf? Iiihhhh…Salami…nähh“, quiekte sie, drehte sich um zur Straße und hielt erneut den Daumen raus. Wie verpeilt können Menschen eigentlich sein? Im Supermarkt ein Stück weiter füllten wir unsere Getränke wieder auf. So langsam ging es mir besser. Aufgeben war also keine Option mehr.
Also los. Die ersten Rampen taten in den Beinen echt weh. Wir wollten bis zur Dämmerung fahren und uns dann einen Schlafplatz suchen. Der sollte gerne besser sein, als der aus der ersten Nacht. Kein hohes Gras, gerne eine Schutzhütte oder ein ähnliches Plätzchen. Unterwegs, aber noch viel zu früh, hatten wir Hütten gesehen, die Deluxe-mäßig gestaltet waren. Da müsste ja dann noch was für uns kommen.

Nix. Es kam nix mehr in der Hinsicht! Dafür, und das war so hammermäßig toll in dem Moment, gab es in einem Wald einen herrlichen Brunnen mit Quellwasser. Es plätscherte wie eine Symphonie in unseren Ohren, als wir uns eine Katzenwäsche gönnten. Das kühle Nass säuberte unsere verschwitzten und mittlerweile leicht stinkenden Poren. Es war wunderbar und die Sonne schien uns danach quasi aus dem Allerwertesten.
In diesem Wald waren aus Holz verschiedene Märchenfiguren geschnitzt und an verschiedenen Stellen aufgestellt worden. Auch an diesem göttlichen Brunnen. Der Name der Figur: Hans im Glück! Genauso wie dieser Typ fühlten wir uns in dem Moment.

Glücklich, wieder etwas sauberer zu sein und somit die Chance zu haben, in Kürze in fast cleaner Optik in den Schlafsack zu krabbeln, ließ uns frohen Mutes weiter in die Pedale treten. Durch tiefe und einsame Wälder der Wetterau, kleine Berge rauf und runter, durch holprige Feldwege und eintauchend in neue, weitere Wälder suchten wir nun einen Schlafplatz.

Schrieb ich eben davon, dass wir nicht im hohen Gras übernachten wollten? Tja, was soll ich sagen, es gab tatsächlich nur diese eine weitere Stelle. Eine Wiese in der Dämmerung und auf einer Anhöhe gelegen mit Blick ins Tal auf Ortenberg und Lißberg. Im Hintergrund kräftiges Wetterleuchten. Was für eine Kulisse zum Abschluss des Tages.
Mir war es völlig egal, ob es gewittern oder regnen würde. Ich war hundemüde. Während Timo sein Zelt aufstellte, legte ich meinen Biwacksack aus. Ab in die künstlichen Daunenfedern. Und dann: ein Surren! Mücken, was auch sonst. Dank Moskitonetz war ich gut geschützt. Ich schlief tief und fest. Ich glaube, ich habe noch nie so gut in der freien Natur geschlafen.

Neuer Tag, immer noch der gleiche Gravelride
Der nächste Morgen war frisch. Es hatte leicht geregnet in der Wetterau. Auf den Rädern perlten die Wassertropfen am Rahmen. Fix hatten wir unsere Sachen wieder verstaut. Wir hatten ja quasi schon Routine entwickelt. Nur die Ameisen, die meine Handelbarbag anscheinend sehr heimelig fanden, musste ich erst noch entfernen. Unser Ziel war jetzt erstmal ein Frühstück zu organisieren.

In Hirzenhain, nur wenige Kilometer weiter, wurden wir fündig. Bäckerei, Super- und Getränkemarkt. Perfekt. Die frisch belegten Brötchen schoben wir genüsslich zwischen unsere Kiemen. Die Heißgetränke taten ihr übriges. Unser Fahrplan für den Tag, waren weitere 90 Kilometer bei diesem Gravelride zu überleben. Natürlich nicht ohne den Checkpoint 4 am Schloss Gedern mitzunehmen. Der Weg bis dorthin war gut zu fahren.

Bei immer wärmer werdenden Temperaturen gelangten wir über Steinberg zu dem begehrten Lochstempel. Die Papierschnipsel des Lochers lagen zahlreich auf dem Boden. Leider etwas unschön. Anscheinend waren wohl doch schon einige Fahrer vor uns da gewesen.
Die Welt war noch in Ordnung und drehte sich anscheinend weiter, als wir hinter dem Örtchen direkt mal ein paar derb-krasse Anstiege genüsslich easy-locker meisterten. Die Entschädigung für die Plackerei war eine ganz formidable Aussicht in die Weite, während uns die Sonne wie selbstverständlich ordentlich auf den Latz knallte.

Sonnencreme half dem Verbrennen zu entgehen. Wir kullerten gesegnet mit UV-Schutz 30 dahin. Tatsächlich waren die Wege an diesem Tag etwas angenehmer zu fahren. „Mit Sicherheit nur eine kurze Ausnahme“, dachten wir und machten uns Mut. Wir fühlten uns bestätigt, als dann nach ach so lieblichen Feldwegen der Vorhang der Szenerie zur Seite geschoben wurde und der Track mal wieder seine hässliche Fratze aufblitzen ließ.

Uns konnte nichts mehr schocken. Okay, ganz ohne Fluchen ging es dann doch nicht. Ein Schelm, wer bei der Durchfahrt des Ortes „Böß-Gesäß“ etwas Fieses dachte. Allerdings ging es bisweilen dann doch recht harmlos auf den Gravelwegen zu.

Die Felder wechselten sich mit langen Abschnitten von Wald ab. Hier fühlten wir uns wirklich einsam. Hohe Tannen und tiefe Schluchten warfen sich uns entgegen. Kaum zu glauben, aber es gab hier Abschnitte, die konnten wir quasi kilometerweit brettern! Ehrlich! Einfacher ist es im Lotto zu gewinnen, als solche passable Waldautobahn in der Wetterau zu finden!

Total geflasht und geblitzdingst kamen wir Mittags nach Büdingen. Hier gab’s Nachschub an Energie. Erst wurde der Burger-Brater um seine Menüs gebracht und dann die direkt daneben gelegene Tanke geplündert. Gefühlt kugelrund schwangen wir uns irgendwie auf unsere Gravelbikes, die so dreckig und verrotzt aussahen, als ob sie direkt aus einem pechschwarzen Flöz entsprungen wären.

Wir hätten mal besser das Höhenprofil des Tracks anschauen sollen. Denn da war ganz klar zu sehen, das Büdingen ziemlich tief zwischen den Hügeln liegt. Wir waren oben von der einen Seite gekommen und mussten uns vollgestopft die andere Seite wieder hinauf wuchten. Uns blieben nur wenige flache Meter, bevor es die Waldhänge rauf ging. Mal kurz sechzehn Prozent, kein Problem, wenn der Magen mit Cola, Eis, Burgern und Schokolade gefüllt ist.

Aber da mein Wahoo die Kilometer schon weit hinunter gezählt hatte, war ich frohen Mutes. Vom Waldrand aus breitete sich ein riesengroßes Feld mit lauter roten Mohnblumen aus. In der Ferne stand stolz Burg Ronneburg auf einem Fels. Ein traumhaft kitschiger Anblick.
Wir verloren deutlich an Höhe. Nicht im Sinne des Fliegens, sondern im hinabfahren mit den Bikes in die Ebenen in Richtung Hanau. Da war sie wieder, die Skyline von Frankfurt kam weit in der Ferne in Sicht.

Vorbei am ehemaligen Fliegerhorst Langendiebach, auf dem die US Army bis 2007 aktiv war und wo Kurzstreckenraketen samt Atomsprengköpfen bis zum Abzug der Truppen gelagert wurden, tauchten wir im letzten Wäldchen des Tages ein.
Ist ja klar, das Ante da nochmal alle Singletrail-Register zog. Zwar flach, aber schmal und verwurzelt. Die Feuchtigkeit des Bodens kam noch hinzu. Schlangenlinien kreuz und quer durch die grüne Hölle kamen on Top am Ende bei diesen Gravelride dazu.

Und dann war es vorbei. Wir waren endlich am Start- bzw. Zielpunkt angelangt. Hier sollte das letzte Loch in die mittlerweile durchweichte und verranzte Karte gestempelt werden. Es war kein Stempel mehr da! Wir suchten überall auf dem Boden in der Umgebung, doch Fehlanzeige. Irgendein Vollpfosten musste ihn einfach mitgenommen oder weggeworfen haben. Das war in dem Moment etwas enttäuschend, somit musste ein Zielfoto als „Lochung“ herhalten.

Was war das für ein Track gewesen, was für ein Brett von Gravelride. Mit sämtlichen ihm zur Verfügung stehenden Foltermethoden, sprich Wurzel-Wegen, Schotter-Pisten oder Gras-Pfaden, hatte Ante mit der Wetterauhochdrei eine Schneise der Verwüstung in die Landschaft gebrannt. Versifft, stinkend, mit salziger Haut und ordentlich durchgewalkt standen wir am Parkplatz. Wir waren froh, den Gravelride überstanden zu haben.
Und wir waren glücklich ihn gefahren zu sein! Trotzdem wir manchmal fluchend unterwegs gewesen waren, fanden wir die ganze Geschichte doch ziemlich geil! Eine echte Herausforderung. Sowohl körperlich, als auch mental. Wenn man sich darauf einlässt, ist das in dieser Landschaft ein echter Traum mit dem Gravelbike zu fahren. Und die erlebten Storys, ob groß oder klein, bleiben für immer in unseren Köpfen. Die Begegnungen, die Erfahrung, die Erlebnisse und die Menschen unterwegs waren eine echte Bereicherung.
Also ein dickes Lob und ein herzliches Danke an Ante, der die Wetterauhochdrei mit soviel Freude und Liebe zum Detail ins Leben gerufen hat. Danke für all die Mühe uns so malträtiert zu haben 😉
Infos zur Wetterauchhochdrei auf DIESER Website!



One Comment
Konrad Weyhmann
Sagt der Masochist zum Sadisten: „Quäl mich!“ Antwortet der Sadist: „Nein!“ Ich beginne zu verstehen, was Graveln ist .. 🙂