Jonas Deichmann, Interview, bikingtom
INTERVIEW

Extremsportler Jonas Deichmann im Interview

Jonas Deichmann. Einer DER Namen schlechthin im Extremsport. Inhaber von sechs Weltrekorden! Radfahren und Ultradistanzen sind mit seinem Namen dermaßen eng verbunden, das niemand mehr an diesen Ausnahmesportler vorbeikommt, wenn es um extreme Herausforderungen in der Welt des Sports geht. Ganz bekannt wurde er, als er 2017 von Cabo da Roca in Portugal nach 64 Tagen, 2 Stunden und 25 Minuten auf dem Fahrrad Wladiwostok im Selbstversorger-Modus erreichte.

Oder 2019 vom Nordkap bis nach Kapstadt, einer Strecke von rund 18.000 Kilometern, nur 72 Tagen, 7 Stunden und 27 Minuten auf dem Rad brauchte. Unfassbare Zahlen. Und Distanzen, die einen ungläubig staunen lassen. Nun ist Jonas Deichmann mitten drin in seinem neusten Projekt und Rekordversuch, einem 120fachen Triathlon rund um die Welt! In Wladiwostok erreichte ich Jonas für ein kleines Interview.

Jonas Deichmann: »Die Zahlen stehen für mich nicht im Vordergrund«

Hallo Jonas! Du bist bei deinem Rekord-Projekt, einen 120fachen Triathlon rund um die Welt zu absolvieren, nun nach der Schwimm-Disziplin von 450 Kilometern und rund 17000 Kilometern auf dem Rad in Wladiwostok in Sibirien angekommen. Wahnsinnszahlen. Ich gratuliere zu dieser irren Leistung. Wie geht es dir und was bedeuten dir diese Zahlen?

»Ich bin froh am Pazifik zu sein nach all den Schwierigkeiten der letzten Monate und vor allem der bürokratischen Hürden. Der Körper ist etwas müde aber alles im grünen Bereich und ich freue mich auf die Laufstrecke. Die Zahlen stehen für mich nicht im Vordergrund. Das wichtigste sind die Erlebnisse und das Abenteuer.«

Um so eine Leistung abzurufen, muss man mental sehr stark sein. Ich habe mal gelesen, du würdest auf der Rolle stundenlang vor einer weißen Wand fahren, um dich auf mögliche Monotonie einzustimmen. Vorbereitung auf so einen Rekordversuch aber ist das eine, inwieweit hat dir Mental-Training bisher tatsächlich auf der bisherigen Strecke geholfen?

»Je länger und schwerer es ist, desto mehr wird es zur Kopfsache. Am Ende geht es ums durchhalten und motiviert bleiben. Insbesondere beim Schwimmen habe ich ja stundenlang nur Wasser gesehen und auch in Russland waren die Straßen teilweise sehr monoton. Da hilft Mentaltraining vorher, um fokussiert zu bleiben.«

Jonas Deichmann, hier noch bei der Vorbereitung in Norwegen für den „Triathlon around the world“.

Dazu kamen ja gerade auch wegen Corona-Pandemie Schwierigkeiten bei der Visum-Beschaffung. Nimmst du das gelassen hin oder zerrt das nicht doch irgendwann an den Nerven?

»Ich habe letzten August die Entscheidung getroffen trotz Corona zu starten, also noch vor der zweiten Welle. Mir war klar, dass ich irgendwo Mal stecken bleibe aber irgendwie geht es weiter. Das ist teilweise frustrierend aber ich kann es nicht ändern und konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann und ändere dann eben die Route.«

Braucht man in dieser Zeit auch etwas Demut, weil man ja weiß, ein bisschen privilegiert ist man ja schon, weil man so durch Weltgeschichte reisen darf?

»Demut brauche ich auf allen meinen Reisen, denn es wird einen sehr bewusst wie privilegiert wir sind in Europa geboren zu sein. Möglichkeiten zu reisen haben die meisten Menschen nicht, ganz unabhängig von der Pandemie.

Natürlich ist es schön, dass ich meine Weltumrundung durchführen kann, es ist allerdings auch mein Job und ich habe mir über die letzten Jahre eine Reputation und ein Netzwerk erarbeitet, um jetzt auch einmal eine Ausnahme zu bekommen. Das gilt für viele Profisportler und Geschäftsreisende auch.«

Jonas Deichmann, Interview, bikingtom
Jonas Deichmann an der russischen Grenze.

Jeden Tag so eine körperliche Belastung abzurufen verbraucht ordentlich Energie. Nicht jeder Körper kommt ja dazu mit fremden Nahrungsgepflogenheiten klar. Wie planst du deine Ernährung auf oft einsamen Strecken für unterwegs und worauf achtest du dabei?

»Ernährung läuft bei mir Recht einfach: So viel wie möglich und alles was ich finde. Wo ich unterwegs bin kann ich nicht wählerisch sein, sondern esse, was es eben gibt. In der Praxis bedeutet dass Restaurants, Supermärkte und viele Tankstellen. Also viel Schokolade und Kekse auf dem Rad und wenn immer möglich ein größeres essen.«

Wetter-Extreme kommen noch obendrauf. Ich habe Fotos von dir gesehen, auf denen dein Bart eingefroren ist, weil du im Schnee-Blizzard geraten bist. Macht Radfahren da noch wirklich Spaß oder magst du dann doch eher die Sonne Afrikas?

»Gerade in Russland gab es sehr viele harte Momente mit Schneestürmen, Dauerregen, Kälte und miserablen Straßenverhältnissen. Das Positive überwiegt aber auch in Russland und es war ein tolles Abenteuer. Jetzt freue ich mich aber sehr auf die mexikanische Wüste und habe erst einmal genug vom sibirischen Winter.«

Jonas Deichmann: »Ich habe erst einmal genug vom sibirischen Winter«

Auf so einer Strecke passieren immer unvorhergesehene Dinge. Auch Begegnungen mit den Menschen und unterschiedlichen Kulturen. Welches ist dir als schönstes in Erinnerung geblieben, und gibt es eins, welches du eher nicht gebraucht hättest?

»Die Menschen überall auf meiner Route waren sehr nett und neue Kulturen und Begegnungen sind einer der besten Aspekte meiner Reise. Ganz besonders war der Empfang in Wladiwostok. Ich bin vor vier Jahren bereits hier angekommen als ich den Weltrekord für die schnellste Eurasien Durchquerung aufgestellt habe und die Randgemeinschaft hier hatte mich noch in guter Erinnerung. Verzichtet hätte ich gerne auf russische Lkws. Die Menschen hier sind extrem nett aber sobald sie auf’s Auto steigen gibt es keine Rücksicht mehr.«

Jonas Deichmann, Interview, bikingtom
Einöde und Einsamkeit. Mentale Anstrengung, aber Abenteuer und Erlebnis zugleich. Hier am Baikalsee.

Jetzt steht die Pazifik-Überquerung an und dein Ziel wird der amerikanische Kontinent sein, um dort von West nach Ost zu laufen. Ein weiteres Extreme. Ist das jetzt eine große körperliche Umstellung nach zig tausend Kilometern auf dem Rad nun auf das Laufen umzusteigen?

»Beim Radfahren gibt es kaum ein Verletzungsrisiko durch Überlastung und es geht vor allem um Ausdauer und mentale Stärke. Beim Laufen ist das anders und Gelenk oder Knieprobleme ein großes Risiko. Ich bin mittlerweile seit 8 Monaten nicht mehr gelaufen und werde jetzt 120 Marathons in 120 Tagen laufen. Das wird die ersten Tage sehr schwierig und ich muss aufpassen, dass ich den Körper nicht gleich überlaste.«

Jonas, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche dir weiterhin vollen Erfolg für deinen Rekord-Versuch und drücke dir ganz fest die Daumen!

Der Plan von Jonas Deichmann ist es, auf Grund der immer noch geltenden Bestimmungen in den USA und Kanada die Laufstrecke von unglaublichen 5000 Kilometern in Mexiko durchzuführen.

Auf seiner Website teilt Jonas Deichmann seine Eindrücke und ihr könnt genau verfolgen, wo er gerade ist und wie es ihm geht.

Alle Fotos: Jonas Deichmann

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