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Bikepacking,Camping,Radfahren
MOMENTE

Wohlfühlen durch Bikepacking

Nach einem halben dutzend Jahren ist es mir vor kurzem tatsächlich wieder passiert. Ich hatte mich erkältet, hatte Husten und Schnupfen und konnte somit nicht auf’s Rad steigen. So gerne ich auch wollte. Und das nervte mich halt mal so richtig ab. Aber was sollte ich machen? Shit happens. Zeit genug also um zu sinnieren und um mich mit anderen Themen rund um das Radfahren zu beschäftigen. Im Speziellen geht es mir um das Bikepacking. 

Die Medien fahren auf diesen hippen Trend ab. Die Hersteller des dazugehörigen Equipments  überschlagen sich mit Marketing-Floskeln und vermitteln mit viel Aufwand ein Gefühl von Freiheit, Wildnis und Abenteuer um den Kunden anzulocken. Die Rad-Hersteller bauen dazu immer neue Bikes, um dieser angesagten Modeerscheinung gerecht zu werden. Den Menschen zieht es anscheinend zurück in die Natur – könnte man meinen. Und irgendwie ist es auch tatsächlich so. In den vermeintlichen Betonwüsten der Städte gibt es kaum noch richtige Rückzugsgebiete, überall ist Gewusel auf den Straßen. Der gestresste Pendler eilt zur Arbeit, andere Leute schauen  ständig auf die Uhr um nicht zu spät zu irgendwelchen Terminen zu kommen. Dazu ist die Geräuschkulisse in den Städten groß und trägt weiter zu einem höherem Stress-Level bei. Man könnte auch sagen, es herrscht oftmals eine gewisse Reizüberflutung. Willkommen im Hamsterrad. 

Da kommt das Bikepacking gerade recht um einem das ersehnte Stück Freiheit zu bescherren. Ein mittlerweile sehr breit gefächertes Gebiet und es gibt wirklich allerhand spannende Stories um dieses Thema. Mir geht es um das Prinzip. Was macht Bikepacking aus? Was ist so faszinierend daran? Gunnar Fehlau (pressedienst-fahrrad pd-fovernighter.de), Fachjournalist mit etlichen Publikationen und absoluter Fahrrad-Enthusiast, der über das Thema Fahrrad eigentlich so gut wie alles weiß und u.a. mit den legendären Veranstaltungen „Grenzstein-Trophy“ und „Candy B-Graveller“ auch eine Art Vorbereiter des Bikepackings hierzulande gewesen ist, fasst das für sich persönlich einmal so zusammen:

Bikepacking
Quelle/Source [´www.grenzsteintrophy.de / Gunnar Fehlau´]

„Für mich ist Bikepacking die Quintessenz meines Lebens: das sportive Biken der letzten Jahre trifft auf das Pfadfindertum der Kinderjahre. Tagsüber Laktat und Trail, abends Lagerfeuer und Bier. Beide Felder eigenen sich perfekt für Gadgetmania und lassen sich aber auch super simpel gestalten. Ich kann mich dem Alltag binnen weniger Meter maximal entziehen. Die Aufgaben verdichten sich auf das Wesentliche: Kurbel drehen, essen, trinken, Feuer und schlafen. Das funktioniert derart gut, dass eine Bikepacking-Tour am Wochenende erholsamer für den Geist und die Seele ist als mancher mehrwöchiger Urlaub.“

Bikepacking

Und unsere Sichtweisen ähneln sich sehr. Für mich ist Bikepacking eine Möglichkeit, mal abseits der sonst üblichen Straßen auf Reise mit dem Fahrrad zu gehen. Die Chance dabei eins zu sein mit der Natur ist ein unglaubliches Erlebnis. Dem blanken Wetter ausgesetzt zu sein und mit Wind, Regen oder Sonne um die Wette zu fahren oder gegen diese anzukämpfen. Dabei nur das Nötigste am Mann beziehungsweise am Rad zu haben um einige Tage oder mehrere Wochen minimalistisch in fremden Gefilden zurechtzukommen. Ob nah oder fern spielt dabei keine Rolle. Man kann mit allen Sinnen seine Umgebung genießen. Zeit ist kein Faktor. Man macht dort Halt, wo es einen hinzieht. Man entflieht dem Alltag und schaltet ab. Im Grunde eine Entschleunigung auf höchsten Niveau. Das Gefühl von Freiheit stellt sich in der Tat ein und man befindet sich schon nach kurzer Zeit in seinem eigenen Kosmos wieder. Diese Entspannung ist absoluter Hochgenuss und das absolut krasse Gegenteil zur heutigen, allgegenwärtigen Hektik des Alltags. Wo permanente Erreichbarkeit, Verpflichtungen, Stress und alltägliche Routine einen Cocktail mixen, der vielen Menschen nicht mehr gut bekommt. Körperlich wie seelisch. Und bei dieser Art von Bikepacking bietet sich schon mit relativ wenig Aufwand eine Chance, sich seine eigene Medizin zu kredenzen. Hier kann man lernen sich wieder auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren und mal wieder runter- und abzuschalten.

Bikepacking
So kann es dann schon mal losgehen.

„Eat,Sleep,Ride – Repeat“. Schon fast magische Worte für Bikepacking-Junkies. Genau, Junkies. Denn es kann süchtig machen. Aber es gibt noch eine andere Art von Bikepacking. Nämlich die, an der man zum Beispiel an einer Challenge teilnimmt. Also einem sportlichen Wettkampf oder eine sportliche Herausforderung, wo es dann doch manchmal auf Zeit gehen kann. Während des „Rennens“ ist man auf sich allein gestellt und man verzichtet meist auf den Komfort toller Hotels oder anderer Annehmlichkeiten. Ohne zu wissen wo man heute Abend schläft, ohne Verpflegungsfahrzeuge und so weiter. Stattdessen gibt es morgens den Kaffee auf dem Gaskocher, der Energy-Riegel kann schon mal zur Not das Frühstück ersetzen bis man in irgend einem Kaff auf einen Bäcker trifft. Diese „Self-Supported“-Rennen sind ganz groß in Mode und schießen wie Pilze aus dem Boden. Und sie sind spannend! Kreuz und quer durch die verschiedensten Länder oder Gegenden zu fahren.  Ob Straßen oder Feld-,Wald- und Schotterwege – alles ist dabei möglich. Dabei stets oder oftmals am eigenen Limit gehend. Nach tagelangen Kilometerfressen ausgemergelte Körper, die vor Zermürbung schreien. So zumindest das manchmal gezeichnete Bild. Heroische Kämpfer, die sich gegen alle Widrigkeiten stellen. Helden und Abenteurer zugleich. Und auch für mich magisch anziehend.

Bikepacking
Auf solchen Pfaden lässt es sich gut abenteuern 😉           Foto: Pixaby

Der Effekt der beiden „Arten“ unterm Strich ist derselbe. Eine intensiv gefühlte innere Euphorie, mit Worten fast nicht zu beschreiben. Man ist beseelt von einem Glücksgefühl und torkelt durch das Chaos der Endorphine. Trotz all der Leiden, die man vielleicht auf der Strecke auf sich genommen hat, möchte man genau diesen Moment nicht mehr loslassen. In beiden Fällen hat man die Natur, jeder auf seine ganz und gar eigene Art und Weise, mit allen Poren zu spüren bekommen. Der größte Unterschied ist wohl die Genussweise. Der eine liebt es härter und sportlicher in die Pedale zu treten, der andere geht es gelassener an. Gemeinsam ist die spartanische Ausstattung des Equipments, welches in Bikepacking-Taschen verstaut wird, die dann an Ober- und Unterrohr, unterm Sattel oder am Lenker befestigt werden. Angesagt sind in dem Fall die ans Rennrad angelehnten Gravelbikes, die einen auf allen Untergründen gut aussehen lassen. Außerdem sind quasi auch die Strecken identisch. Mal abseits der Straßen zu fahren, nicht über asphaltierte Wege, hat etwa ganz Eigenes für sich und versprüht echte Abenteuerromantik. Und bietet dazu eine einzigartige Verbundenheit mit der Natur und der Umwelt. Beide Bikepacking-Arten haben somit ihren eigenen, besonderen Reiz und jeder kann sich seinen persönlichen Bereich daraus zusammenstellen. Je nach Lust und Laune.

Bikepacking
Mit kleinem Gepäck schnell unterwegs. Auch das ist Bikepacking.

Doch ist, wie oben schon kurz erwähnt, das ganze Bikepacking eine Art Modeerscheinung? In gewisser Weise könnte man dies annehmen. Gut gedrehte Werbevideos, stimmungsvolle Fotos – die Werbestrategen geben alles. Und treffen mit dem Verkauf von Freiheit und Abenteuer einen ganz großen Nerv bei den Leuten. Der Ursprung des Bikepacking kommt – natürlich – aus den USA. Die Leute fingen irgendwann an Rennen zu veranstalten, auf denen die Fahrer auf langen Distanzen ganz auf sich gestellt waren. Verpflegung und Schlafmöglichkeiten waren da natürlich ein großes Thema. Und so wurden dann die ersten Ideen für die passenden Transportmöglichkeiten des mitzuführenden Gepäcks geboren. Anfänglich wurden erst die MTBs angepasst und später immer mehr direkt die passenden Bikes fürs große Abenteuer gebaut. Und seitdem ist dieser Trend ungebrochen. Die Kurve zeigt steil nach oben. Die Bikes werden immer ausgefeilter und werden speziell für das Konzept des Bikepackings konzipiert. Die Stabilität des Rahmens, der harte Einsatzzweck der Reifen oder auch eine robuste und effizientere Schaltung stehen bei der Entwicklung weit im Vordergrund. Und ich finde dies hochinteressant. Das eröffnet nämlich auch neue Horizonte für andere Fahrrad-Gattungen. So profitieren im Grunde viele Seiten davon. Selbstverständlich muss man erwähnen, das dies auch bei der Ausstattung gut ins Geld gehen kann! Die „coolen“ Sachen können die Begierde bei einem ganz schön in Wallung bringen. Auch das Portmonee kann manchmal ordentlich darunter leiden.

Trotzdem glaube ich definitiv nicht, das Bikepacking eine Modeerscheinung ist wie eher – meiner Meinung nach – das Thema der Fatbikes. Denn es treffen beim Bikepacking die eben beschriebenen und idealen zwei Komponenten zusammen. Die Befriedigung des Gefühls und des Verlangens von Freiheit gepaart mit stetiger, kreativer technischer Weiterentwicklung des dazugehörigen Materials.  Zur Erklärung: der Drang nach jedermanns individueller persönlicher Freiheit wird bei der Entwicklung der gesellschaftlichen Lage und des urbanen Lebensraums immer größer werden. Dazu ist das Fahrrad immer noch nicht zu Ende gedacht, der technische Fortschritt kann immer noch einen Schritt drauf legen! Mein Empfinden und somit unterm Strich gesagt: das Bikepacking ist gekommen um zu bleiben! 

Seine sehr interessante Sicht des Bikepackings schildert hier nun auch einmal Martin Moschek (biketour-global.de), der bisher über 60.000 Kilometer geradelt ist und dabei 49 Länder bereist hat. Dazu ist er immer wieder für Neues rund um das Thema Fahrrad und Radreisen zu begeistern. Und mal eben einen kleinen Overnighter am Wochenende einschieben, dafür ist er immer zu haben. 

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Bikepacking und warum es nur ums Radfahren geht

Text & Foto Martin Moschek.

„Bikepacking ist gerade „der heiße Scheiß“ und man kann sehr schnell den Eindruck bekommen, dass der „echte“ Radler nur noch auf Gravel- oder Endurance-Bikes sich fortbewegt und dabei dem Minimalismus fröhnt, mit ein paar Taschen ans Rad geschnallt. Das am Ende das Rad ziemlich vollgepackt ist und dann doch noch ein Gepäckträger dran ist – geschenkt! Das normale Radeln mit Reiserad und Six-Pack ist im Vergleich dazu gerade langweilig und eigentlich nicht mehr wirklich „in“. 

Dabei reden wir hier nur über Werkzeuge: die Räder und ihre Ausrüstung sind nichts mehr, als Mittel zum Zweck, denn wir wollen alle eines: rausfahren, reisen, Neues entdecken, uns den Wind um die Nase wehen lassen, leistungsorientiert oder entspannt. Hauptsache Radfahren. Mit welchem Rad ist dabei eigentlich egal und folgt der geplanten Route, den individuellen Vorlieben an Untergrund und Art zu reisen. 

Das Rad und die Ausrüstung müssen halt passen, sie sind aber nicht der Mittelpunkt, sondern nur Mittel. Ich bin viele Jahre ein klassischer Reiseradler gewesen. Dann wollte ich was Neues ausprobieren, auch mal abseits der halbwegs befestigten Wege die Welt erkunden und habe mir dafür ein entsprechendes Rad aufgebaut. Es ist schneller und agiler als das eher ruhige und bequeme Reiserad, aber es bringt mich in Gegenden, die mir bis dahin zwar nicht verschlossen, aber mit einem Reiserad eher nicht zu befahren waren. 

Ich gebe zu: momentan bin ich mehr mit dem Bikepacking Rad unterwegs, als mit dem Reiserad. Die Gründe dafür sind recht banal: ich mag es derzeit gerne schneller, ich brauche einfach nicht mehr so viel Gepäck und fahre am Reiserad ziemlich viel Leerraum mit mir rum und ich mag es leichter und flexibler. Egal ob auf Straße, Feldweg oder Trail – ich möchte mich nicht durch mein Rad einschränken lassen. 

Daher ist gerade Bikepacking die bei mir favorisierte Art des Radreisens. Dennoch bin ich auch ab und zu im klassischen Stil unterwegs, zum Beispiel wenn ich mit meinen Kindern eine Tour mache und es einfach mehr Transportkapazitäten braucht. 

Meine nächste Tour führt mich nach Gabun. Dort werde ich sowohl auf Straßen, als auch auf Pisten durch den Dschungel fahren. Dafür wähle ich das Bikepacking Rad, denn es ist das richtige Mittel für diese Art Tour. 

Natürlich möchte ich nicht leugnen, dass ich auch ein Spielkind bin und mich die neuen Arten von Fahrrädern und auch die Ausrüstung ziemlich begeistern. Ich bin immer für Veränderung, für Neues, für Überraschendes. Vieles ist bestimmt ziemlich sinnlos oder überteuert. Aber vieles ist auch durchaus smart und bietet neue Möglichkeiten für das Radreisen. Aber wenn man es nicht ausprobiert, kann man zwar ziemlich gut darüber philosophieren und es als US-Trend und Hipstertum abtun, aber auch nicht mehr. Man kann es aber auch als neue Vielfalt sehen, neue Möglichkeiten, neue Ideen, die inspirieren und begeistern. Bikepacking und Ausrüstung sehe ich daher pragmatisch: einfach mal mitmachen, Spaß haben, lernen, Fehler machen, wieder lernen und vor allem dabei Radfahren.“

Wer das auch so unterschreiben würde, der unterzeichne hier:

____________________________________ 😉

Spannende Veranstaltungen rund um das Bikepacking

- Transcontinental Race
- Terra Australis Bike Epic 
- Bohemia Divide
- Rat1000  
- Candy B Graveller
- Three Peaks Bike Race
- Markagram
- The Great Divide

Weitere Links und Videos zum Thema Bikepacking

- bikepacking.com
- Video Tales On Tyres:Riding The Baja Divide 
- Video Bikepacking Trans Germany
- Bikepacking: eine Kurzanleitung
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6 Comments

  • jacominasenkel

    Guten Morgen,

    die Rad Race Tour de friends hat mit Bikepacking nichts zu tun. Ist aber trotzdem sehr schön! Das in diesem Jahr zum ersten Mal ausgerufene Taunus Bikepacking verdient es, in Deine Liste aufgenommen zu werden.

  • Alex

    Hiho in die Runde, auch wenn ich Gravelbiking und Bikepacking mal wider als eine neue Sau sehe die durchs Dorf getrieben wird sehe, muß ich aber auch sagen, shit drupp ! Ich glaube die Mädels & Jungs die das so machen leben mit dem Typ ganz gut, oder scheren sich kaum darum.

    Neben diversen Events die es gibt, schätze ich Ausfahrten in die Natur und deren ja oft auch zumeist vom Radler eher unverkundeten Gebieten. Ein wenig Abenteuer schwingt da immer mit, ja der kleine Junge der damals im Wald gespielt hat, kommt wider hervor. Was ich aber noch am Bikepacking besonders schätze ist, das man alles was man so braucht bei sich hat und so eine Unabhängigkeit generieren kann, die man so kaum finden kann. Die Tour neigt sich dem gefühlten Ende entgegen, kein Bock auf Hotelsuche mit all deren Feinheiten, nicht immer der schönsten Art, sondern sich wo eine Stelle suchen und dort sein Lager aufschlagen.

    Praktischerweise ist man dabei nicht nur in der Natur, sondern ist quasi auf einen positiven Zwang hin, ein Teil der Natur. Man lernt sie wider zu schätzen und auch mit ihr zu leben. Es wird dunkel also geh ich schlafen ( anstatt sich irgendwelchen Mist in den Schädel via TV zu dröhnen ). Wird es hell, wecken einen die Vöglein, man krabbelt aus seiner Bleibe, kocht sich ein Käffchen und macht ein kleines Frühstück.

  • Kai Wackerhagen

    Schöne Zusammenfassung der Motive die uns antreiben ! Schau(t) mal auf Facebook bei den #RadBengelz rein und lasst ein Gruß da.
    Gruß, Kai RadBengel No.1

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